Einführung

"The entrance to the soul is the eye"

Mittwoch, 29. Dezember 2010

(3) Ein Brief von Emma

Nach Emmas Verschwinden verging die Zeit so langsam, dass man meinen konnte, die Erde sei still gestanden. Doch ich stand keineswegs still. In der ersten Woche lief ich so lange bis ich halb Heartsdale abgesucht hatte. Die andere Hälfte konnte ich ausschließen, weil Emma niemals dorthin gegangen wäre. Das wusste ich einfach.
In der zweiten Woche telefonierte ich solange bis meine Ohren klingelten und ich die Stimme am anderen Ende des Hörers nicht mehr hören konnte. In der dritten Woche suchte ich ihr Haus, also ihr Zimmer ab. In diesem Moment war mir ihre Privatsphäre scheißegal. Vielleicht, dachte ich, ist sie gar nicht mehr am leben. Dann stört sie das sowieso nicht mehr. Und so wühlte ich blind in ihren Sachen und übersah doch nichts. Ihr Zimmer war so penibel aufgeräumt, dass ich gar nicht glauben konnte dass es wirklich Emmas Zimmer war. Und da entdeckte ich sie: Die kleine Schublade im Schrank. Sie war als Einzigstes verschlossen. Gerade als ich mich entschlossen hatte mit einer Axt die Schublade zu zerschmettern, denn so verzweifelt war ich, kam ihr Vater durch die Tür. Er schickte mich nach Hause und in seinen Augen erkannte ich, dass er viel mehr vor mir Angst hatte, als um die Gewissheit dass seine einzige Tochter nie mehr zurückkehren könnte. In der vierten Woche gab ich sie auf. Ich gab Emma und mich auf. Jetzt wo sie weg war, spürte ich wie sehr ich sie schon immer gebraucht hatte. Ich verbarrikadierte mich in meinem Zimmer und kam nur gelegentlich heraus, um zu Essen, aufs Klo zu gehen oder die Post hereinzuholen. Am letzten Tag der vierten Woche bekam ich die Nachricht. Ein Brief von Emma. Er war schneeweiß und fast quadratisch. Am Verschluss war ein schwarzes Herz mit Bleistift gemalt. Es sah aus, als hätte Emma wenig Zeit dafür gehabt und so wirkte der Rest des Briefes auch:

Hey Smiley

Ich weiß, ich enttäusche dich. Das ist nicht meine Art!
Ist doch eh alles Hier ist meine Kette.
Du kennst sie, hatte sie immer an. 
An ihr hängt ein Schlüssel. Du hast sicher schon mein Zimmer zerwühlt 
und falls du noch nicht mit der Axt die Schublade zertrümmert hast, 
dann kannst du ihn benutzen. Aber geh rein wenn mein Vater arbeitet. 
Er feiert bestEr wird versuchen zu tun, als wäre ich noch da. 
Naja wahrscheinlich warst du eh schon bei mir und hast ihn getroffen. 
Du hattest noch nie gutes Timing...
Also ic Ich liebe dich 
(du weißt ja wie ichs mein :-) )

Your little coffee bean ♥

P.S.: Steiger dich nicht zu sehr rein, okey? Lebe weiter Machs gut!


Ich steigerte mich rein.
Ich kam nicht mehr aus dem Zimmer raus, (Natürlich, wenn ich essen musste griff ich zum Telefon oder zur Pfanne) bis ich dieses gotterdammte Tagebuch gelesen hatte. Und dies dauerte fast einen Monat.

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