Einführung

"The entrance to the soul is the eye"

Dienstag, 4. Januar 2011

(8) Der erste Traum

Nach der E-Mail bestand mein Leben eine Weile nur noch aus Essen, aufs Klo gehn, Tagebuch und Träume lesen. Wenn ich in Emmas Einträgen etwas von Visionen oder Träumen las, legte ich das Tagebuch weg und durchforstete die Datei: Emmas Träume nach dem besagten Traum. Ich fand immer den passenden. Emmas Bruder wusste wohl wirklich um alle Träume Emmas und ich danke Gott, dass er sie aufgeschrieben hatte.

27.12.2000
Gestern Nacht ist es passiert. Ich hatte so für Emma gehofft, sie hätte diese Gabe nicht erhalten, wenn man von einer Gabe sprechen kann, für mich ist es eher ein Fluch. Doch vergebens. Ich lag wach und hatte noch Vaters Worte vom letzten Gespräch mit ihm in den Ohren, da hörte ich es. Einen Schrei. Durch pure Reflexe gesteuert rannte ich in Emmas Zimmer ohne einen einzigen Laut. Das Zimmer hatte ich aus Vorsicht heimlich abdichten lassen, so dass nur das Nebenzimmer sie schreien hören konnte. Also ich. Für den Fall der Fälle. Und jetzt war der Fall eingetreten. Etwas in mir zerbrach als ich sie da halb aufgerichtet und schwer atmend im Bett liegen sah. Ihre Augen sahen nicht aus wie sonst. Sie waren ausgefüllt von weiß und die Pupillen waren höchstens noch auf einem Zentimeter Abstand zu erkennen. Der Mund war weit aufgerissen und sie keuchte wie nach einem hundert-Meter Lauf. Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Sie war doch erst acht! Lass es nur einen Alptraum gewesen sein! Bitte lass es nur.... Doch ein Blick auf Emmas Gestalt in der Dunkelheit genügte, um mir alle Hoffnungen auszutreiben. Ich wusste das es eingetroffen war. Und wenn ich etwas weiß, dann kann es nicht anders sein. War schon immer so. In dieser Nacht erkannte ich, wie wichtig es gewesen war, ihr Vertrauen zu gewinnen. Ich dankte mir innerlich selbst, dass ich mich immer um sie gekümmert hatte. Wer weiß, wem sie sich alles anvertraut hätte, wenn ich nicht dagwesen wäre. Furchtbar diese Vorstellung. Furchtbar war auch ihr Traum. Natürlich versteht sie noch nichts und ich bin hin und hergerissen sie einzuweihen. Aber ich kann es nicht. Sie ist noch so jung! Ich halte es für das Beste, ihre Visionen aufzuschreiben. Denn sie sind wichtig. Und mir darf keiner entgehen, wenn ich Emma schützen will. Kein einziger...


Emma's Traum:

Es war wie in einem normalen Traum, nur nicht normal, verstehst du? Ich kann es mir auch nicht erklären, es war so furchtbar. Heute Mittag bei Paps Geburtstag da war doch Onkel Eddie da....und da war es auch schon so komisch. Ich hab kleine Bilder an mir vorbeiflitzen sehn und Eddies Gesicht hat sich verändert. Ich habe ein Mädchen lachen hören und Eddie flüstern. Obwohl sich sein Mund nicht bewegt hat. Ich glaube ihm ist es nicht aufgefallen, aber ich hab Angst bekommen und war froh als er nach Hause gegangen ist. Ich glaube ich bin verrückt... Und als ich heute Abend eingeschlafen war träumte ich erst nichts, doch plötzlich stand ich in einem Raum. Ein Junge, der ein wenig so aussah wie Eddie, aber doch ganz anderst, es kann nicht er gewesen sein, weißt du, stand direkt neben mir. Ich wollte mit ihm reden, aber als auch er redete, redete er nicht mit mir sondern mit dem Mädchen, dass ich am Mittag schon lachen gehört hatte. Sie war sehr schön und ich glaube sie war in den Jungen verliebt. Der Raum war klein und schön eingerichtet. Ein großes Bett, ein Tisch mit zwei Stühlen, auf denen kleine Kerzen brannten und schmutzige Teller standen. Sie hatten wohl schon gegessen. Ich habe mir dabei gar nichts gedacht, irgendwie war ich bloß jemand der zuschaute. Das war komisch und ich schreite die beiden an, sie sollen mir zuhören, aber sie wollten nicht. Ich wollte einen Teller nach ihnen werfen, doch ich konnte ihn nicht nehmen. Plötzlich lief der Junge in den benachbarten Raum und brachte zwei Gläser mit. Ich lief ihm entgegen und wollte das Glas nehmen, doch plötzlich lief er einfach durch mich hindurch. Da wurde mir schlecht und ich habe angefangen zu weinen, weil mich niemand hören wollte. In meinem Rücken hörte ich die Gläser klirren und das Mädchen lachen. Gerade als ich mich umdrehte, fiel das Mädchen hin. Ihre Augen waren rund und sieh sah aus wie tot. Da habe ich angefangen zu schreien und bin aufgewacht. Oh, Bruderherz, es war schlimm und ich weiß nicht mal wieso!

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