Einführung

"The entrance to the soul is the eye"

Dienstag, 4. Januar 2011

(9) Der zweite Traum

Ich mache mir immer mehr Sorgen um meine kleine Schwester. Ich hatte den irrwitzigen Gedanken gehabt, dieser erste Traum könnte ein Spezialfall sein. Ich wusste es selber besser im Endeffekt. Dies war nur der Anfang gewesen. Der Anfang einer ganzen Serie von Träumen, die Emma erleben wird. Und ich muss alles daran setzen, Mum und Dad, sowie ganz besonders Onkel Eddie nichts davon erfahren zu lassen. Ich hab Emma zwar schon ausdrücklich davor gewarnt, aber sie ist acht, bald neun und wer weiß wie lang sie sich an ihr Versprechen, nur mir zu erzählen was sie träumt, hält. Außerdem bereitet es mir Sorgen, dass sie nicht nur nachts träumt. Sie hat, sobald sie den Kontakt mit den Personen hat, kleine Aussetzer. Kann ich mir noch nicht erklären. Ich sollte die nächste Sen-Hour vielleicht doch nicht entgehen lassen. Vielleicht hat sich Dad etwas Neues einfallen lassen und ich weiß es nicht. Auch wenn es mir schwer fällt, dorthin zu gehen, für Emma mach ich alles....


Emmas zweiter Traum: 3 Wochen nach dem Ersten.


Bruderherz, ich muss dir was gestehen. Ich habe in der Stadt, einer Obdachlosen etwas Geld gegeben und hab mit ihr geredet. Ich weiß das ist mir nicht erlaubt und sie ist noch eine Fremde, aber ich weiß das sie mir nichts tut. Und du glaubst mir doch immer wenn ich etwas ganz fest weiß! Also hab ich mich mit ihr unterhalten und sie war sehr nett. Ich habe sie gefragt wieso sie jetzt schon auf der Straße ist, sie ist doch erst dreißig oder so. Dann hat sie komisch gelacht und gesagt sie sei in "Frührente". Ich wusste nicht genau was das ist. Ich hab gesagt, mein Opa ist auch in Rente. Da hat sie gelacht und gesagt ich darf sie Oma nennen. Ihr echter Name ist Anna Laurent und ich nenn sie ab jetzt Oma Anna. Gerade als ich mich verabschieden wollte flitzen wieder Bilder an mir vorbei. Ihr Gesicht veränderte sich für ein paar Sekunden: Ihre Augen strahlten mehr, ihr Gesichtsausdruck war sehr ernst, wie als würde sie beten und sie hatte volleres Haar. Sie sah jung aus. Noch jünger als jetzt eben. Ich hörte einen Chor, der etwas betete und sie betete mit. So schnell wie es gekommen war, war es wieder weg, doch Oma Anna hatte etwas bemerkt. Sie fasste mich an der Schulter und kniff die Augen zusammen. Ich bekam Angst und riss mich los. Sie schrie mir etwas hinterher. Ich hörte es aber nicht mehr. Danach tat es mir Leid. Ich weiß nämlich, dass sie mich nicht bedrohen wollte. Ihr war nur etwas aufgefallen. Abends träumte ich dann wieder einen sehr komischen Traum. Ich schlief ein und kurz danach sah ich ein wutverzerrtes Gesicht. Es war Oma Anna. Sie schrie mir etwas hinterher. Ich rannte weg. Doch dieses Mal verstand ich es genau: " Bist du es, Elena?"
Ich verstand das nicht und wachte auf. Kurz danach schlief ich nochmal ein und dieses Mal sah ich ein Mädchen zwischen lauter Jungen stehen. Manche waren älter, manche jünger. Niemand aber war älter als Onkel Eddie oder so jung wie ich. Vielleicht gerade so wie du, Bruderherz! Sie waren alle in ganz komischer Kleidung gekleidet und standen in Reihen in einem großen Raum. Das Licht war sehr dunkel und deshalb erkannte ich nicht mehr. Ich kam mir vor wie ein Pfarrer vor der Gemeinde, aber es kann keine Kirche gewesen sein. Auffällig war, dass nur ein einziges Mädchen da war. Sie hatte Ähnlichkeit mit Oma Anna. Sie standen alle gerade da und murmelten einen langen Satz herunter. Ich hab ihn nicht mehr hören können, denn plötzlich knallte es und jemand schrie: "Sie ist tot, verdammt, sie ist tot!" Dann war alles Durcheinander und ich bin aufgewacht. Was hat das zu bedeuten, Bruderherz?


Diese Frage konnte ich ihr nicht beantworten, obwohl ich es genau wusste. Und ob es ein Zufall gewesen war, dass sie Anna Laurent getroffen hatte? Anna war schon immer etwas Besonderes gewesen. Aber sie war eine von ihnen und deshalb gefährlich. Und das sie in Emma Elena erkannt hatte, machte mir von allem die meisten Sorgen. Doch ich wusste: Emma würde sie wiedersehen, egal ob ich es ihr untersagte oder nicht. Ich kann nichts tun.

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